1836 – 2016 180 Jahre Jubileum
1. Vereins der Dresdner Schank- und Gastwirte 1836
Die Sophienstraße mit Stadtwaldschlösschen um 1839
Nach der Napoleon – Ära verlor die spätfeudal geprägte Gesellschaft Dresdens zunehmend an Einfluss, und das aufstrebende Bürgertum im Zuge der beginnenden industriellen Revolution begann, die Gesellschaft umfassend zu verändern. Neuer Unternehmergeist und die Gründung der
– der Dampfschiffgesellschaft
– der Eisenbahnlinien
– der Waldschlösschen–Brauerei
– des Gewerbevereins zu Dresden
– des 1. Vereins Dresdner Gast- und Schankwirte u. v. m., alle um 1836,
waren die Basis für eine rasante Entwicklung der Gastronomie und des Fremdenverkehrs in und um Dresden. Um 1835 gab es über 450 Gast- und Schankwirtschaften inklusive Hotels und Kaffeehäuser. Die Gründungsmitglieder und die meisten Mitglieder konnten leider nicht ermittelt werden.
¼ jährliche Abrechnung der Almosensammlung in der Dresdner Gastronomie
Die Kollegen wurden schon ab 1833 mit der Aufgabe des Almosensammelns“ für die Armenversorgungsbehörde ( heute Sozialamt ) per Erlass beauftragt. Jeder Gast musste angesprochen werden, auf freiwilliger Basis eine Spende für die Armen Dresdens abzugeben. Das musste penibel erfasst und 1/ 4-jährlich bei der Behörde abgerechnet werden (s. Liste). Der noch bestehende Bierbann und Bierzwang, welcher den Ausschank einheimischer Biere vorschrieb, wurde auch auf Betreiben des 1. Vereins zum 01.01.1839 abgeschafft. Das erste offiziell importierte und ausgeschenkte Bier in Dresden war „Kulmbacher“. Beratend stand der Verein auch bei der Einführung fester Regeln zur Konzessionierung von Betrieben und zahlenmäßigen Limitierung der Betriebe auf 400 dem Rat der Stadt Dresden zur Seite. Das sicherte bestehende Betriebe und ermöglichte der Stadt überschaubare und sichere Gewerbe – Steuereinahmen.
Hotel zur „ Stadt Rom“ um 1849
Die nachfolgende Zeit der bürgerlichen Revolution – Maiaufstand 1849 in Dresden – löste mit der sich rasant entwickelnden Wirtschaft und Bevölkerungszahl einen riesigen Ansturm auf Konzessionierungen aus.
Ab dieser Zeit wurde die Gastronomie aller Couleurs ein immer wichtiger werdender kultureller Bestandteil des Alltagslebens der Gesamtheit der Bevölkerung Sachsens und Deutschlands. Er war neben, Theater, Musik und Kleinkultur, Ausdruck des neuen Lebensgefühls und des kleinen Wohlstands der Menschen.
Der Sieg im Deutsch-Französischen Krieg und die anschließende Reichsgründung schufen die politischen und wirtschaftlichen Grundlagen für Gewerbefreiheit und damit ungezügeltes Wachstum in allen Branchen.
Insbesondere in der Gastronomie und Hotellerie folgte dem Aufschwung eine katastrophale Pleitewelle. Um hier zukünftig noch größere Schäden zu vermeiden, wurden wieder feste Regeln zur Konzessionierung eingeführt und der Gastwirtsverein bei Neuanträgen um fachliche Stellungnahme gebeten. Das zeigt die enorme Wichtigkeit, welche dem Verein beigemessen wurde (s. Kopie).
Infolge des dramatisch gestiegenen Alkoholkonsums stieg die Selbstmordrate ab dem 30-iger Jahren des 19. Jh. bedenklich an, und der Verein musste sich ernsthaft gegen moralisierende Vereine zur Bekämpfung der Trunksucht zur Wehr setzen. Neben dem schon bestehenden Gastwirtsverein gab es den später gegründeten internationalen Verein der Gasthofbesitzer und ab 1874 den Verein Dresdner Gastwirte e.G. Dieser Verein hatte vor allen größere Hotels und Restaurantbesitzer als Mitglieder. Hervorzuheben ist, dass unter seiner Führung die erste Dresdner Fachschule 1876 gegründet und unterhalten wurde. Diese Schule besuchten vor allen Angestellte, die eigenes Schulgeld aufbringen konnten. Oder Ihr Dienstherr bezahlte die Ausbildung. Hauptfächer waren neben der Fachausbildung vor allen Sittlichkeit, Buchführung, deutsche Sprache und Ausdruck. 1905 erhielt die Fachschule in Leipzig zur Kochkunstausstellung eine Goldmedaille für ihre Leistungen. Die Schule wurde 1921 wie alle Handwerker- und Innungsschulen als Städtische Fach- und Fortbildungsschule übernommen. Besondere Höhepunkte in der Vereinarbeit des ausgehenden 19.Jh.waren 1875 die internationale Kochkunstausstellung, nationale Gastwirts-Innungstage in Dresden u.v.m.
Probleme, die der Verein zu dieser Zeit lösen musste, waren Gesetzesvorlagen gegen Zechprellerei, Auseinandersetzungen mit der Stadt um horrende Gaspreise, Importbiere, zusätzliche Steuern auf eigentlich alles was in unserer Branche wichtig ist u.a. Wanderlagersteuer, Vergnügungssteuer, Schankbetriebsabgabensteuer, Billet,- und Lustbarkeitssteuer, Gemeindebiersteuer der Stadt Dresden, auch als Dresdner Bierkrieg sind berühmt geworden. Besondere Errungenschaften dieser kämpferischen Zeitspanne waren ein Verbandsbüro, Vereinslokal, der Eisverein, die Fachschule, eine Brauerei, Einkaufsverein, Fonds für in Not geratene Mitglieder, eine Sterbekasse u.a.
Der 1.Weltkrieg und die darauf folgende Inflation schädigte die Gastwirtsvereine nachhaltig. Ab 1915 mussten alle Festlichkeiten eingestellt werden, Bierpreiserhöhungen setzen ein, und die Brot- und Fleischrationierung begann. Der Branntweinverkauf wurde von 11.00 – 18.00 Uhr festgelegt, und das Sahneverbot folgte. Ab 1916 trat bereits Biermangel auf, doch die klug und vorausschauend gegründete Einkaufsgenossenschaft konnte die größten Probleme mildern helfen. Die für uns eigentlich unfassbare Beschlagnahme aller Metallgegenstände (auf Grund der alliierten Blockade gegen Deutschland), welche mit den Zinndeckeln der Biergläser begann, muss unbedingt erwähnt werden. Die unmittelbar folgende Verarmung der Bevölkerung und die Weltwirtschaftskrise taten ihr Übriges. Nur mit größten Opfern konnten die Vereine erhalten werden und hatten 1929 den folgenden stand erreicht. (Liste). Interessant ist auch die sich rasant entwickelnde Technik in unserer Branche: Es gab hochmoderne Öfen, Küchenmaschinen und die Vorläufer der heutigen Combi – Dämpfer waren auch schon da. Um 1895 gab es in Sachsen 18.038 Betriebe, von denen nur 81 über Maschinenkraft (Motoren) mit insgesamt 1564,3 PS verfügten. 2 Betriebe liefen mit Wasserkraft und 7 Betriebe mit ausschließlich Pferdekraft.
Dresden hatte zu dieser Zeit mit den Vororten,Dresden-Neustadt und Altstadt ca. 1.270 Betriebe.
Trotz der Vereinsverbote während der nachfolgenden NS – Zeit blieben die Gastwirtsvereine bestehen. Nach der Überwindung der Weltwirtschaftskrise verbesserte sich die Einkommenssituation der Bevölkerung und die allgemeine Geschäftssituation im besonderen. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde ähnlich wie im 1.Weltkrieg die Rohstoffsituation bis hin zur Rationierung immer unerträglicher. Hinzu kamen mittlerweile zentral vorgeschriebene Preise, welche restriktiv kontrolliert wurden. Ballsäle wurden Pferdeställe und Hotels zu Lazaretten.
Der schwärzeste Tag der Gastwirte und Hoteliers in der 800 jährigen Geschichte der Stadt Dresden war der 13.Februar 1945. (Liste)
Als geborener Dresdner und Gastronom, welcher sich nun intensiv mit unserer Geschichte beschäftigt, sehe ich nicht nur die vernichteten tausende Hotelbetten und Restaurants von internationalen Ruf, sondern auch die vielen ungezählten Pensionen, Schankwirtschaften, Kneipen, Trinkhallen, Cafés und Barbetriebe. Die Träume, Wünsche und Hoffnungen hunderter Kollegen und ihrer Mitarbeiter sind neben ihrem Vermögen und Arbeitseinkommen in kürzester Zeit vernichtet worden.
Die Dresdener City hat sich bis heute nicht von diesem Vernichtungsschlag erholt. Trotz überbauter Flächen und quantitativer Angleichung in der Zahl der Betriebe ist ein großes Stück Dresdner und damit sächsischen Kulturguts verloren gegangen.
Die letzten Eintragungen im Vereinsregister belegen, dass Herr Erich Pöschel, Inhaber des Rankeschlößchen in Dresden – Kaditz, der letzte Vorsitzende des Vereins war.
Der Verein wurde 1946 auf Antrag des Polizeipräsidenten im Vereinregister gelöscht.
Herr Pöschel führte sein Lokal bis Ende der fünfziger Jahre, wo ich, Uwe Heidecke, sicherlich unbemerkt von ihm zur Welt kam und er mir sicherlich unbewusst seinen Gastwirtskalender von 1929 unter dem alten Tresen liegen ließ.
Die Nachkriegszeit war geprägt von Entbehrungen und Mangel. Während im Westen Deutschlands der Marschall-Plan half, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, demontierte die Russische Besatzungsmacht fleißig die restlich verbliebenen Betriebe.
Der Bedarf an Unterhaltung und Kultur zur Trauma Bewältigung des Krieges war schon ab Kriegsende ungeheuer groß. Die in den Randbezirken Dresdens verschonten Ballsäle und Einrichtungen hatten großen Zulauf. Eine gastronomische Versorgung fand fast überhaupt nicht statt. Erst ab den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich mit der Zentrumsneubebauung eine gastronomische Struktur mit ausschließlich staatlich geführten Betrieben wie HO und Interhotel. In den erhaltenen Stadtgebieten wurden immer mehr Kneipen und Gaststätten verstaatlicht, und nur ein geringer Teil konnte seine Selbständigkeit behalten. Sie waren eine Art fünftes Rad am Wagen. Miss- und Mangelwirtschaft prägten letztlich die Arbeitsbedingungen der letzten 45 Jahre der privaten und Kommissionsgastwirte.
Noch in guter Erinnerung sind die bekannten Privatgaststätten wie zum Beispiel der Bachus, der Maigarten – Linie 6 und das Rankeschlösschen.
Die staatlich gelenkte Gastronomie erreichte Dank des unermüdlichen Aufbauwillens aller Dresdner und unserer Kollegen ein gutes bis sehr gutes Niveau mit internationaler Ausprägung.
Der Überlebenswille und die einfache Hilfsbereitschaft der privaten Kollegen untereinander trugen die wichtigsten Anliegen der Vereinsarbeit in sich.
Das führte zwar noch nicht zur Gründung eines Gastwirtsvereines war aber neben dem Gedanken der Organisation der Selbsthilfe und Ausbildung das Hauptanliegen zur Neugründung des Vereins 1990 im Rankeschlösschen zu Dresden. Dem Dresdner Gaststätten und Hotelverband e.V.
Dort schließt sich schicksalhaft der Kreis zu unseren Kollegen und unserer reichen Vereinsvergangenheit.
Die Namensänderung in DEHOGA Regionalverband Dresden und der Beitritt zum DEHOGA Deutschland waren ein logischer Schritt in die Zukunft. Die letzten 31 Jahre waren sehr erfolgreich und wir konnten vielen Kollegen in fachlicher Hinsicht helfen. Als Verhandlungspartner mit der Gewerkschaft NGG werden allgemeingültige Tarifverträge vereinbart. Betriebs / Rechtsberatung und GEMA Rabatte sind nur einTeil der geldwerten Vorteile. Berufswettbewerbe der Auszubildenten werden mit Erfolg organisiert. Die Globalisierung und der sich ständig verschärfende Wettbewerb werden zukünftig auch im Rahmen des Generationenwechsels den Verein verändern und modernisieren. Mit dem Konzept – Projekt DEHOGA 2.0 werden die Weichen für die hoffentlich noch viele Jahre bestehende Vereinsarbeit zum Wohle aller gestellt.
Ich wünsche uns vor allen Frieden, Frieden und Gesundheit mit dem alten
Vereinsspruch: „In Treue fest!“
Uwe Heidecke ( Dresden, 13.07.2021)
Liste Bildmaterial für Festansprache zu 180 Jahre Dresdner Gastwirtsverein:
Gründungsfahne des Dresdner Gastwirtsvereins 1836
Die Sophienstraße mit Stadtwaldschlösschen um 1839
¼ jährliche Abrechnung der Almosensammlung in der Dresdner Gastronomie,
Hotel zur „Stadt Rom“ um 1849
Grand Union Hotel, Bismarkplatz 1 um 1871 / 72
Belvedere um 1842
Neumarkt mit Hotel de Saxe um 1850
Palais „ Hotel de Saxe „ Aufnahme 1933
Theaterplatz mit Hotel Bellevue um 1930
Altmarkt Dresden mit Kaufhaus Renner und Cafe Kreutzkamm um 1930
Pirnaischer Platz um 1930
Vorstand „ Dresdner Gastwirtsverein e.G.“ zur 50 Jahrfeier 1924
Gastwirtskalender 1929
Gastwirtskalender 1929 – Konzessionswesen – Gutachterfunktion
Reichmilchkarte – Sachsen 1943
Vereinsregister 1946 – Löschungsvermerk
13. Febr.1945 – Verluste, Buch v. Walter Weidauer
Bärenschänke um 1930 / 1945
Rankeschlösschen 1930 / 1987 / 1992
Gründungsvorstand 05.03.1990 in Dresden
Quellen: SLUB Dresden, Privatbilder Uwe Heidecke, Buch-Walter Weidauer